Hans Jäger und Sepp Lehner helfen Grundschülern in Moos, ihre Konflikte selbst zu lösen

Als SiS-Mediatoren sitzen Hans Jäger (l.) und Sepp Lehner einmal in der Woche mit Grundschülern in Moos an diesem Tisch. Dann hören sie den Kindern bei ihren Streitfällen genau zu – und stellen ihnen Fragen, damit diese selbst eine Lösung finden.

 

 

Hans Jäger und Sepp Lehner sind Seniorpartner in School (SiS). Die beiden Ruheständler hören als Mediatoren Schülern der Grundschule Moos zu, die untereinander Probleme haben. Und helfen den Kindern, diese zu lösen.

Die drei Buben haben sich gegenseitig geärgert, geschubst und mit üblen Schimpfworten bedacht. Jetzt sitzen sie nebeneinander im Besprechungszimmer der Grundschule Moos und erzählen, was passiert ist. Lebhaft, aber ohne Beleidigungen, denn ihnen gegenüber hören Hans Jäger und Sepp Lehner ganz genau zu.

Mittwochvormittag ist ihr Termin an der Grundschule Moos. Dann haben die beiden Rentner mehrere Stunden lang Zeit für die Grundschüler. Und die Buben und Mädchen kommen zahlreich – zu zweit, zu dritt, selten alleine – und schildern ihre Probleme.

 

Alle, die am Streit beteiligt sind, müssen auch am Tisch sitzen

Dabei reden die Kinder ganz offen. Denn alles, was in diesem Raum besprochen wird, bleibt auch hier. Die beiden SiS-Mediatoren reden darüber nicht mit den Eltern, nicht mit den Lehrern oder anderen Kindern. Deshalb schildern die Grundschüler freiwillig, was sie übereinander denken. Warum sie sich ärgern oder „böse Worte“ sagen. Oft sind sie sich von Anfang an über den Hergang einig, manchmal diskutieren sie kurz, wie die Situation war. Und dass sie sich über den jeweils anderen ärgern. Dabei müssen alle, die an dem Streit oder Problem beteiligt sind, mit am Tisch sitzen.

An diesem Mittwoch sind die Schüler zwar quirlig, aber sie erzählen sachlich, was passiert ist. Ohne Streit oder Schimpfwörter. An anderen Tagen ist es schon mal drastischer geworden, sagt Hans Jäger. Dann fallen auch Sätze wie „Ich hasse Dich!“

Die Mediatoren stellen nur Fragen, die Lösung finden die Schüler selbst

Das Wichtigste: Alle sitzen nebeneinander am Tisch und reden miteinander. Und: Sepp Lehner und Hans Jäger haben Zeit. Anders als die Lehrer, die Streitfälle höchstens kurz am Rande des Unterrichts klären können. Bei den Seniorpartner in School kann über alles in Ruhe gesprochen werden, die beiden hören zu. Und das ist für die Schüler oft schon die Hauptsache. Dann finden sie selbst eine Lösung für ihr Problem. Jäger und Lehner stellen nur Fragen: Die Mediatoren schlagen den Weg, wie das Problem aus der Welt geschafft werden kann, nicht vor, den müssen die Kinder selbst finden.

War der Spruch für den einen nur ein Witz, so hat sich der andere doch schwer darüber geärgert. Warum ist das schlimm? Wer hat Schuld? Das alles ist für die Schüler manchmal nicht einfach zu erkennen. Hans Jäger ruft deshalb einen Buben dazu auf, in die Rolle seines Gegenübers zu schlüpfen: Wie findet er es, wenn dieser sich so verhält, wie er es getan hat? Da ist die Sachlage rasch klar: Das ist furchtbar, da braucht es eine strenge Strafe! Solche werden hier nicht verhängt, erklärt der SiS-Mediator. Dafür versuchen sie zu ergründen, warum einer der Buben den anderen ärgert. Was ist sein Bedürfnis, so zu handeln? Den Kindern wird dabei deutlich, dass sie einen Fehler gemacht haben. „Entschuldigung“ sagt einer und streicht dem anderen über den Arm.

 

Hier wird heftig diskutiert – aber ohne Schimpfworte

Bis es so weit ist, das kann auch mal länger dauern. Einmal haben sie die Kinder zehn Minuten lang streiten lassen, erinnert sich Sepp Lehner. Dann macht eines einen Witz über sich selbst, alle müssen lachen – und plötzlich ist der Streit gelöst. „Es ist nicht einfach die Geduld zu haben“, weiß der Mediator. Aber es klappt. Bei SiS dürfen sich die Kinder die Meinung sagen, aber ohne ausfällig zu werden. So wird eine Lösung möglich.

Gemeinsam beraten die Kinder, was ihr Ziel des Gesprächs ist: Das Schubsen, das gegenseitige Ärgern und die Schimpfworte sollen aufhören. Es wird festgelegt, wer was nicht mehr tun soll. Und wenn doch? Dann erinnern ihn die Mitschüler an dieses Abkommen, das sie bei den SiS-Mediatoren getroffen haben.

 

Das Angebot ist auch für Lehrer eine Erleichterung

Diese Gespräche klappen auch deshalb so gut, weil die beiden Mediatoren große Unterstützung von den Lehrern erfahren und quasi ein Teil der Schulfamilie sind. Anfangs war sie skeptisch über das Angebot von SiS, gibt Schulleiterin Tanja Anthofer zu: Braucht es das an so einer kleinen Schule mit 100 Kindern überhaupt? Aber Jäger und Lehner, beide selbst ehemalige Lehrer, haben sich bei den Schülern vorgestellt und wurden sofort angenommen: Jetzt warten alle schon auf den Mittwoch mit SiS. „Auch für uns Lehrer ist das eine Erleichterung“, weiß Anthofer: Um größere Streitigkeiten zu schlichten, „dafür fehlt uns die Zeit“.

Drei Buben waren erst letzte Woche da, an diesem Mittwoch sitzen sie wieder nebeneinander am Tisch. Der eine hat die anderen erneut geärgert: „Das war ein Witz“, sagt er. Aber die anderen sehen das nicht so, sie haben sich geärgert, vor allem, weil er trotz ihrer Bitten nicht aufgehört hat. Die drei sind befreundet, wollen gut untereinander auskommen. Sie reden erneut miteinander, klären die Situation. Und legen fest, dass solche „Witze“ nicht mehr vorkommen sollen.

„Viele unserer Kunden kommen immer wieder“, stellt Sepp Lehner fest. Viele kommen wegen Beziehungsproblemen, weil sie ausgegrenzt werden, nicht mitspielen dürfen. Sehr selten geht es um körperliche Angriffe oder Sachbeschädigung, zeigt Lehner in seiner Statistik auf: Zwischen Januar und Juni sind fast 100 Kinder zu ihnen gekommen.

 

In den Gesprächen finden auch die Mediatoren Befriedigung

Manchmal gibt es auch gar keine Lösung: „Damit muss man auch leben“, weiß Hans Jäger. Aber es sei gut, dass die Kinder überhaupt miteinander sprechen, in Ruhe. Die beiden Mediatoren sind zwar keine Psychologen, aber sie hören zu – „das ist in vielen Fällen schon das Wichtigste“, stellt Hans Jäger fest. Die Kinder haben in die beiden Berater Vertrauen und sind oft erleichtert, wenn sie über ihre Probleme reden können. Auch über ihre Ängste oder über die Trennung der Eltern. Wichtig ist es, Optimismus und Zuversicht zu vermitteln, weiß Hans Jäger. Und dass es immer eine Möglichkeit gibt, dass man aus jeder Situation wieder herauskommen kann.

Die Gespräche sind aber nicht nur für die Kinder wichtig: Die beiden Ruheständler finden darin selbst eine große Befriedigung, wenn sie sehen, wie sehr sie von den Kindern akzeptiert werden. Und dass sie nun nach ihrer Berufszeit weiter eine sinnvolle Tätigkeit ausüben. „Drei Stunden in der Woche, das packen wir schon noch“, meint Sepp Lehner voll Optimismus. Und genau den wollen sie den Kindern vermitteln.